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HATTLER - "NO EATS YES"

Beginnen wir ausnahmsweise mit der schlechten Nachricht: Nein, Tab Two, die wegweisende deutschen Acid Jazz Formation wird es in der gewohnten Form nicht mehr geben. Die künstlerische Pause des Erfolgsduos ist auf unbestimmte Zeit anberaumt. Jetzt die gute Nachricht: Ja, Hellmut Hattler hat eine neue Band um sich geschart, kurz und prägnant HATTLER genannt. Ein Projekt, auf dem der Bassist sein enormes stilstisches Spektrum so flächendeckend ausbreitet wie selten zuvor, ohne auf die Meriten des Hip-Jazz zu verzichten, der Tab Two so beliebt gemacht hat. Freunde der Experimentierfreudigkeit, die den legendären Bassisten seit jeher auszeichnet, kommen mit dem Album "No Eats Yes" ganz besonders auf ihre Kosten. Bereits die ersten Konzerte von HATTLER sorgten für Begeisterung. "Wenn diese Musik Hattlers Bilanz seines musikalischen Schaffens ist, dann fällt sie börsenreif aus", konstatierte die Hannoversche Allgemeine. Und auch das Resümee der Stuttgarter Zeitung fiel ähnlich prächtig aus: "Gezügelte Ekstase, dezente HipHop-Anklänge und ein intensiver Groove: der aufregende Auftakt einer Band, die für ihre zu Markte getragene Unschuld einen guten Preis erzielen müsste."

Diese Unschuld, von der hier die Rede ist, ist vor allem auch die unbedingte Neugierde, mit der sich Hattler jedem musikalischen Abenteuer nähert. Und "No Eats Yes" ist eine ausgesprochen abenteuerliche Spritztour voller stilistischer Serpentinen, die dafür sorgen, dass sich das Album gekonnt und auf enorm hohen Niveau jeder genaueren Festlegung entzieht. Zu weitläufig ist das musikalische Labyrinth, durch das Hellmut Hattler seine Hörer führt. Die stilistische Palette der 16 Tracks reicht von elektronisch angehauchtem Jazz über filigrane Jazzfunk-Fusionen ("New I.D.") bis zur hohen Schule programmierter muzak. Manche Songs wiederum, wie etwa das schwerelos tänzelnde "Sunny Jay" oder "Don't Bother", ein verträumtes Duett der beiden Sängerinnen Sandie Wollasch und Nkechi Mbakwe, haben genügend Soul und Esprit, um auch als exzellente Popsingle reüssieren zu können. Auf einigen Stücken sind auch noch einmal die Trompetenkünste von Tab Two-Partner Joo Kraus zu bewundern. Und noch ein paar alte Weggefährten von Hellmut Hattler geben sich hier mal wieder die Ehre: die Kraan-Musiker Peter Wolbrandt (Gitarre) und Ingo Bischof (Keyboards). So blitzt bei "Uhrenvergleich" das alte Wetteifern auf, diese verspielten Instrumentalschlachten, die Kraan seinerzeit auszeichneten und künstlerisch vorantrieben.

Doch "No Eats Yes" beschränkt sich keineswegs auf alte Errungenschaften. "Eccentricity" fährt schweren Big-Beat-Funk mit cineastischem Flair auf, und "Bassment 101" wirkt wie eine filigrane Fingerübung in Sachen Weltmusik. Und während "Chip Jazz" clever und dezent auf Drum'n'Bass-Patterns aufbaut, setzt "Nachtmaschine" die Verlorenheit eines Miles Davis (hier nachempfunden von dem Trompeter Stud) vor den Hintergrund abstrakter Breakbeats. Höchst fruchtbar ist die Zusammenarbeit mit den beiden sich brillant ergänzenden Leadsängerinnen geraten, die dem Album lyrische Konturen und eine angenehm warme Temperatur verleihen. Hellmut Hattler hat zweifelsohne die Geschichte der deutschen Rockmusik spürbar bereichert: Seine Karrierestationen "Kraan", "Bassball", "Fehlfarben" und "Tab Two" haben ein beeindruckendes Gesamtwerk geschaffen. Stets ist der blonde Bassist seiner Zeit ein Stück weit voraus gewesen. Das ist auch bei seinem jüngsten musikalischen Steckenpferd nicht anders. Auch im Jahr 2001 bleibt für diesen Tausendsassa Innovation selbstverständlich, das Experiment verpflichtend und die Neugierde ungebrochen. "No Eats Yes" unterstreicht dies auf ebenso eindrucksvolle wie spannende Art und Weise. Für die anstehenden Live-Konzerte, bei denen Hellmut Hattler auch auf Material von Tab Two zurückgreift, hat er sein Oeuvre um verlockend avantgardistische Reize erweitert - die sich gleichwohl den Weg zum Dancefloor stets offen halten. Das Album ist mit dem "ECHO" für die beste Jazzproduktion national/international ausgezeichnet worden.



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